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Offener Brief des DEHOGA Hessen und der IHK Kassel-Marburg zur Einführung einer Übernachtungssteuer in Kassel

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Schöller,

sehr geehrter Herr Nölke,

sehr geehrter Herr Dr. Wett,

wir sind überrascht von der geplanten Einführung einer Übernachtungssteuer zum 1. April 2025 in Kassel. Die bisherige Kommunikation in dieser Angelegenheit empfinden wir als wenig transparent und vertrauensbildend. Wir richten heute den eindringlichen Appell an Sie, von einer Einführung dieser zusätzlichen Steuer abzusehen. Angesichts des derzeitigen Zusammenfallens von konjunktureller Krise, strukturellem Wandel und schwindendem Vertrauen in die Politik sind Entlastungen für Unternehmen und nicht weitere Belastungen das Gebot der Stunde.

Die hiesige Wirtschaft hat sich hinsichtlich der Finanzierungsfragen im Rahmen der Entstehung des Tourismuskonzeptes der Stadt Kassel im Jahr 2016 für neue Wege offen gezeigt. Wesentliche Stakeholder des Tourismus und wissenschaftliche Experten waren dabei mit eingebunden. Allerdings wurde der vereinbarte gemeinsame Pfad nicht beschritten. Das bedauern wir. Die Stadt Kassel plant nun einen Weg zu gehen, der nicht unsere Zustimmung findet.
Das Konzept mit dem Titel „Wachstumsimpulse bis 2025“ wurde 2016 mit breitem Konsens verabschiedet. Es sah neben der Etablierung eines Begleitbeirats zur Umsetzung des Konzepts ein kooperatives Finanzierungsmodell vor. Leider wurde aber weder ein entsprechender Begleitbeirat noch ein solches gemeinsames Finanzierungsmodell realisiert. Wir schlagen vor, das Tourismuskonzept aus dem Jahr 2016 zu evaluieren und gegebenenfalls anzupassen. Dies sollte auf Grundlage eines konstruktiven Miteinanders von Stadt und Tourismuswirtschaft geschehen. Dabei können grundsätzlich neue Wege der Finanzierung für den Tourismus in Kassel diskutiert und im Idealfall konsensual verabschiedet werden.

Seit 2017 erlaubt das Hessische Kommunalabgabengesetz (KAG) prädikatisierten Kommunen einen Tourismusbeitrag zu erheben, der zweckgebunden für Aufwendungen im Tourismusbereich zu verwenden ist. Die Beiträge werden durch Unternehmen der Tourismusbranche treuhänderisch eingenommen. Die Stadt Kassel hat mit der Prädikatisierung als Tourismusort im Jahr 2019 damit bereits eine wichtige Voraussetzung erfüllt, um einen Tourismusbeitrag erheben zu können. Nun beabsichtigt die Stadt Kassel diesen eingeschlagenen und von uns unterstützten Weg wieder zu verlassen. Dabei wäre es gerade in diesen Zeiten wichtig, Unternehmen Planungssicherheit zu geben, auch um Vertrauen in politische Entscheidungen zu stärken.

Die Stadt Frankfurt am Main erhebt seit 2017 einen Tourismusbeitrag und beschreitet damit den oben skizzierten Pfad erfolgreich. Die Mainmetropole hat einen entsprechenden Expertenbeirat etabliert, dem Vertreterinnen und Vertreter der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main, des DEHOGA und des Magistrats der Stadt angehören und der über die sinnhafte Mittelverwendung mitentscheidet und Wachstumsimpulse im Tourismus setzt. Dieses gemeinsame Vorgehen halten wir für vorbildlich. Die Akzeptanz des Tourismusbeitrags ist auf Grund der Einbindung und transparenten Mittelverwendung sowohl unter den Gästen als auch den Beherbergungsbetrieben hoch. Politik, Wirtschaft und Verwaltung gehen hier Hand in Hand. Auf Grundlage dieser Erfahrungen wurde auf Initiative des DEHOGA im Jahre 2022 eine Nivellierung des KAG Hessen mit den Stimmen der CDU und der Grünen im Hessischen Landtag verabschiedet, um auch Geschäftsreisende mit einem Tourismusbeitrag belegen zu können. Auf diese Art und Weise sind die fiskalischen Effekte mit denen einer Übernachtungssteuer gleichwertig.

Die Stadt Frankfurt nutzt diese Möglichkeit seit Oktober 2024, um noch größere Erlöse aus dem Tourismusbeitrag für die Kommune, insbesondere aber für den Tourismusbereich zu generieren. Der Frankfurter Tourismus und der stadteigene Tourismus und Congress GmbH profitieren davon.
Anders als zum Beispiel Tourismusbeiträge oder Kurtaxen fließen sogenannte Bettensteuern in den allgemeinen Haushalt der Städte und Gemeinden und können für zweckfremde Ausgaben verwendet werden. Eine punktgenaue Stärkung des Tourismus sieht aus unserer Sicht anders aus. Auch der vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landesentwicklung und Wohnen unter Beteiligung der Destinationen sowie der Großstädte herausgegebene Tourismuspolitische Handlungsrahmen des Landes Hessen (TPH) steht der Einführung einer Übernachtungs- oder Bettensteuer sehr kritisch gegenüber: „Außerdem besteht die Gefahr, dass nicht zweckgebundene Finanzierungsinstrumente (z. B. Bettensteuer) als örtliche Aufwandssteuern eingeführt werden und damit vor allem tourismusfremde Aufgaben und Projekte finanziert werden.“ (https://www.hessen.tourismusnetzwerk.info)

Im ungünstigsten Fall wird die Übernachtungs- oder Bettensteuer auf den Brutto-Übernachtungsbetrag erhoben. Das bedeutet eine Steuer auf eine Leistung mit Steuer, die dann erneut versteuert werden muss. Übrigens: Beherbergungsbetriebe zahlen zudem selbstverständlich Grund- und Gewerbesteuern. Eine Bettensteuer würden sie gegenüber anderen Gewerbetreibenden zusätzlich belasten. Den daraus resultierenden kommunalen Einnahmen würden gleichzeitig keine verlässlichen und planbaren positiven Effekte auf den dringenden Erhalt und Ausbau der touristischen Infrastruktur seitens der hessischen Kommunen gegenüberstehen.

Wie viele neue Steuern würde auch eine Bettensteuer neben den fiskalischen Belastungen zu weiteren Mehrbelastungen anderer Art führen. So zum Beispiel bei der Anpassung von Abrechnungssystemen oder bei der Neuerstellung von Beherbergungsverträgen. In den preislich besonders sensiblen Zweigen des Geschäfts- und Gruppentourismus (Busreisen etc.) werden bereits jetzt Beherbergungsverträge für das Jahr 2026 geschlossen. Zusätzlich anfallende Beiträge oder Steuern können nicht mehr einkalkuliert werden.

Uns ist bewusst, dass die kommunalen Haushalte trotz der positiven Gewerbesteuereinnahmen der jüngsten Zeit in Kassel unter Druck stehen. Gerade deshalb gilt es, die Wirtschaft vor Ort zu stärken und nicht weiter zu belasten. Der Tourismus erfüllt weit mehr Aufgaben als die Beherbergung von Touristen. Die touristische Infrastruktur zahlt auf die Attraktivität eines Standorts ein und sorgt für branchenübergreifende Strahlkraft. Der Tourismus ist ein entscheidender Faktor für die Aufenthalts- und Lebensqualität für Gäste und Einheimische sowie die Mitarbeitenden der Leistungsanbieter und Unternehmen.

Der DEHOGA und die Industrie- und Handelskammer, wie auch der Hessische Tourismusverband und die Grimmheimat Nordhessen des Regionalmanagements stehen hier für einen konstruktiven Dialog zur Verfügung. Dass ein einvernehmlicher Weg möglich ist, haben die Beteiligten 2016 gezeigt. Auf dieser Basis sollten die weiteren Schritte erfolgen.

Freundliche Grüße

gez.

Robert Mangold – Präsident des Hotel- und Gastronomieverbands DEHOGA Hessen e.V.

Dr. Hans-Friedrich Breithaupt – Vizepräsident und Vorsitzender der Regionalversammlung Region Kassel Industrie- und Handelskammer Kassel-Marburg

Claus Günther Vorsitzender des Tourismusausschusses der Industrie- und Handelskammer Kassel-Marburg



IHK Kassel-Marburg
Autor: Daniel Hankel
IHK Kassel-Marburg
Tourismusreferent
E-Mail: hankel@kassel.ihk.de

Telefon: 05617891285
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