Unterwegs sein, neue Orte entdecken, einfach mal woanders das Leben genießen: Wie kommen Gäste in Hessen an ihr Ziel, welche Optionen haben sie dann vor Ort, und warum ist Mobilität überhaupt so ein wichtiger Faktor im Tourismus?
Reisende stehen selten still. Ein Ausflug in die grüne Umgebung oder in die nahe gelegene Stadt, der Besuch von Sehenswürdigkeiten und Museen, ein Bummel durch Kneipenviertel und Dorfgassen – Urlaub machen heißt, in Bewegung sein. Doch wie können Gäste in Hessen mobil sein, und wie kann die Mobilität zukunftsfähig ausgebaut werden?
Mit diesen Fragen beschäftigt man sich unter anderem im Frankfurter House of Logistics & Mobility, kurz HOLM. „Wir sind eine neutrale Entwicklungs- und Vernetzungsplatzform mit dem Ziel, Innovationen für die Logistik und Mobilität der Zukunft voranzutreiben“, erläutert Bastian Krampen, Abteilungsleiter Kommunikation & Digitale Medien im HOLM. „Als Beteiligungsgesellschaft unter anderem des Landes Hessen und der Stadt Frankfurt handeln wir im öffentlichen Auftrag. Unsere Kernaufgabe besteht darin, Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft zusammenzubringen.“
Rund 40 Unternehmen und fast 20 Hochschulen haben im HOLM einen Standort, das Netzwerk reicht aber noch weit darüber hinaus. Ein Kernthema, das die Netzwerkpartner beschäftigt, ist die Nachhaltigkeit und das Erreichen der Klimaziele. „Mobilität muss sich grundsätzlich ändern“, betont Krampen. Flugreisen zu verbieten oder individuelle Mobilität einzuschränken sei allerdings nicht die Lösung. „Die Menschen sollen weiterhin und sogar noch besser von einem Ort zum anderen kommen. Unser Ziel muss es sein, mehr Mobilität zu ermöglichen und gleichzeitig weniger Verkehr insgesamt zu haben. Gefragt sind smarte Technologien und innovative Konzepte für eine zukunftsfähige, nachhaltige Mobilität.“ Und in diesem Bereich ist in Hessen schon einiges im Gange.
ⓘQuelle:VGO/Steffen Löffler, Fulda
Wie nötig solche Angebote sind, weiß die Tourismusbranche nur zu gut. „Als zentral gelegenes Bundesland ist Hessen in der An- und Abreise hervorragend angeschlossen“, sagt Yvonne Heider, Geschäftsführerin der TMH Tourismus Management Hessen UG. Anders sieht es bei der Mobilität vor Ort aus, die gerade in ländlich geprägten Regionen noch ausbaufähig ist. „Wenn es gut läuft, kommt man mit dem Bus noch in seine Zielregion, aber eben oftmals nicht rauf zur Burgruine“, bedauert Heider. „Diese letzte Meile muss geschlossen werden. Dafür setzen wir uns ein, auch mit den Partnerinnen und Partnern vor Ort.“
Um der Bedeutung der Mobilität gerecht zu werden, ist im neuen Tourismuspolitischen Handlungsrahmen Hessen, der 2023 fortgeschrieben und veröffentlicht wurde, erstmalig das neue Handlungsfeld „Infrastruktur und Mobilität“ aufgeführt. „Das heißt, dass wir uns im Tourismus verantwortlich fühlen, uns hier stärker einzubringen“, erläutert Heider. „Dabei möchten wir die Stakeholder, etwa Vertreterinnen und Vertreter der regionalen Verkehrsverbünde und der Politik, vernetzen und sie für die Bedürfnisse des Tourismus stärker sensibilisieren.“
Das Schließen der letzten Meile sowie die Taktung des ÖPNV im ländlichen Raum sind Knackpunkte, die man auch im HOLM wahrnimmt. „Man kommt mit Bus und Bahn gut voran, aber kurz vor dem Ziel ist plötzlich Schluss“, so Krampen. „Oder der Linienbus fährt nur wenige Male am Tag, und in der Nebensaison ist er leer. Das ist natürlich auch ein Kostenfaktor. On-Demand-Angebote können hier Abhilfe schaffen.“
Eine weitere Möglichkeit, möglichst individuell von A nach B zu kommen, bieten Sharing-Modelle. „Sharing spielt mittlerweile eine große Rolle, allerdings vorrangig in größeren Städten“, berichtet Krampen. „Das betrifft inzwischen vor allem Mikromobilität durch E-Scooter oder Fahrräder. Beim Carsharing haben sich hauptsächlich stationsbasierte Angebote durchgesetzt, also solche mit festen Parkplätzen, an denen die Wagen zur Verfügung stehen.“ Dass die Sharing-Mobilität nicht nur in der Großstadt funktioniert, sondern auch im ländlichen und kleinstädtischen Raum, zeigt das Beispiel eines Carsharing-Anbieters in 18 hessischen Klein- und Mittelstädten wie Bad Nauheim, Eppstein, Friedrichsdorf oder Schlüchtern. „Das Unternehmen bietet seine elektrische Fahrzeugflotte Kommunen und Kreisen für deren Beschäftigte an, die die Wagen zu den Bürozeiten nutzen. Nach Feierabend und am Wochenende stehen die Autos als klassische Sharing-Autos allen zur Verfügung“, berichtet Krampen – ein Angebot, das Einheimische wie Gäste gleichermaßen wahrnehmen können.
Sharing- und On-Demand-Angebote könnten in Zukunft auch hinsichtlich der Anschlussmobilität bei der An- und Abreise verstärkt eine Rolle spielen – ein weiterer Anreiz, das eigene Auto zu Hause zu lassen. „Reiseanalysen haben gezeigt, dass im Jahr 2021 noch 55 Prozent der Touristen mit dem eigenen Auto anreisten und es auch am Urlaubsort viel nutzten“, so Krampen. „Lediglich zehn Prozent reisten mit Bus und Bahn an, wobei davon auszugehen ist, dass diese Zahl wächst, allein durch das Deutschland-Ticket.“
Um Reisende für die Nutzung des ÖPNV zu begeistern, sei Einfachheit bei Ticketangeboten und Tarifstrukturen entscheidend. „Hessen hat schon frühzeitig Flatrate-Tickets eingeführt, lange vor dem 9-Euro-Ticket“, berichtet Krampen. „Wir müssen auch beachten, dass das Deutschland-Ticket nicht für jeden Gast eine passende Lösung bietet. Daher ist es wichtig, weitere Angebote für die Reisenden zu schaffen.“ Auch hier hat Hessen bereits Einfallsreichtum bewiesen. In der GrimmHeimat NordHessen beispielsweise gibt es seit zehn Jahren die „MeineCardPlus“. Mit dieser Gästekarte haben Besucherinnen und Besucher der Region nicht nur freien Eintritt in teilnehmenden Freizeiteinrichtungen, sie dient auch als Fahrkarte für Bus und Bahn. „MeineCardPlus hat sich in Nordhessen etabliert und ist wirklich ein Erfolgsmodell“, freut sich Heider. „Um vergleichbare Angebote zu entwickeln, bedarf es einer fundierten, datenbasierten Grundlage. Dafür hat Hessen Tourismus mit dem Performance-Hub als digitale Marktforschungsplattform eine gute Voraussetzung geschaffen, um das Reiseverhalten vor Ort zu prüfen, auszuwerten und daraus Erkenntnisse abzuleiten.“ Auch im HOLM setzt man auf Daten. „Lösungen werden digitaler, automatisierter und bedarfsorientierter, um individuellen Mobilitätsanforderungen mit einem attraktiven und verlässlichen ÖPNV-Angebot zu begegnen“, so Krampen. „Das ist dann fast schon automatisch nachhaltig.“
Doch auch jenseits des motorisierten Verkehrs wächst der Mobilitätsbedarf. Das Radfahren hat durch die Coronapandemie und den Boom der E-Bikes noch einmal eine ganz neue Bedeutung bekommen. „Wir sind zwar noch lange nicht am Ziel, aber beim Ausbau der Radinfrastruktur ist schon einiges passiert“, berichtet Krampen. „Das gilt sowohl für die Radinfrastruktur innerhalb von Kommunen als auch für Radinfrastruktur, die Kommunen miteinander verbindet.“
Während Fahrradstraßen und ausreichend Abstellmöglichkeiten das Radeln in der Stadt komfortabler machen sollen, kommen Pendler, Tagesausflügler und Reisende künftig über neue Radschnellwege von einer Stadt zur anderen. „Durch das Aufkommen der E-Bikes können ganz andere Strecken zurückgelegt werden, und so ist auch ein ganz neuer Bedarf entstanden“, sagt Krampen. Der Regionalverband Rhein-Main arbeitet beispielsweise aktuell an neun Radschnellwegen in der Region, darunter auch ein Radschnellweg, der Frankfurt und Darmstadt verbinden wird und dessen erstes Teilstück bereits im Juli 2019 eingeweiht werden konnte.
Ob Bus und Bahn, on demand, Sharing oder Rad: Von innovativen Mobilitätskonzepten profitieren unterm Strich alle. „Wo Urlaub gemacht wird, leben und arbeiten schließlich auch Menschen“, sagt Krampen. Menschen auf verschiedensten Wegen haben eines gemeinsam, sie alle möchten ihr Ziel möglichst reibungslos erreichen. Diese Erreichbarkeit muss auf unterschiedlichsten Wegen möglich sein, nicht nur mit dem eigenen Auto. Eine nachhaltige Mobilität hat dabei weiterreichende positive Auswirkungen, wie Krampen betont: „Sie ist nicht nur emissionsärmer, sondern auch mit weniger Lärmbelastung verbunden. Das steigert die Aufenthalts- und Lebensqualität unheimlich, innerorts und an Plätzen, die zum Verweilen einladen – davon profitieren auch der Einzelhandel und die Gastronomie.“
Schlussendlich ist das Mobilitätsverhalten der Gäste ein wichtiger Baustein, um den Tourismus in Hessen nachhaltiger aufzustellen. „Wir sind schließlich auf dem Weg zum nachhaltigen Reiseziel“, betont Heider. „Dafür ist es wichtig, dass wir auch beim Thema Mobilität alle an einem Strang ziehen.“
Hinweis: Bei dem Beitrag handelt es sich um einen Artikel aus unserem Brachenmagazin AM.PULS. Mit AM.PULS. hat Hessen Tourismus ein hybrides Format für aktuelle B2B-Themen entwickelt, das ein Printmagazin mit einem Video-Blog – kurz Vlog – verbindet.